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Urlaub oder Therapie: Wie wissenschaftlich ist die Kur?

Die Kur hat oft den Ruf eines bezahlten Sonderurlaubs, bei dem man es sich gut gehen lassen kann. Doch den hat sie zu Unrecht. Sie ist wissenschaftlich fundiert, sagt a.o. Prof. Dr. Wolfgang Marktl, der sich seit Jahrzehnten mit dem Kurwesen befasst.

Wie lange gibt es eigentlich schon Kuren?

Die Geschichte der Kur ist Jahrtausende alt, bereits die alten Griechen beschrieben die Anwendung von Bädern ideologisch, die Römer lieferten dann die Technik für die Vorläufer der heutigen Kurbäder. Die moderne Kur, wie wir sie heute verstehen, war zu Beginn dem Adel vorbehalten, erst später stand es auch der breiten Bevölkerung zur Verfügung. Einen Meilenstein stellten die „Bad Nauheimer Beschlüsse“ Anfang des 20. Jahrhunderts dar. Hier wurde vom Allgemeinen Deutschen Bäderverband erstmals eine Zusammenfassung der wissenschaftlichen Grundlagen für die Heilquellen erstellt.

Was hat sich in der Wissenschaft geändert?

Es gibt zahlreiche Untersuchungen zu den einzelnen Teilbereichen der Kur, etwa die Wirkung der unterschiedlichen Heilmittel. Es ist allerdings schwierig, die Kur als Ganzes in Studien zu erfassen. Das ist aber nötig, denn die Kur muss als ganzheitliches Verfahren betrachtet werden, als Mittel der integrativen Medizin, und sollte nicht in die einzelnen Bestandteile zerlegt werden.

In Österreich sind einige Studien gelaufen, etwa zum psychophysiologischen Effekt der Kur wurde viel und sehr erfolgreich publiziert. In den letzten Jahren sanken die Publikationen in Mitteleuropa, dafür sind vermehrt Daten etwa aus China und der Türkei verfügbar. Die internationale Forschung zur Kur geht also weiter.

Was ist das eigentliche Ziel einer Kur?

Ziel ist immer die integrative Arbeit, also den Menschen als Ganzes zu erfassen. Wir Menschen sind ein komplexes System und alles hängt im Körper zusammen. Ein wichtiger Aspekt ist etwa, dass eine Kur nicht am Wohnort gemacht wird. Früher sprach man deswegen von der Kurmedizin als die Medizin am „umgetopften Kranken“. Auch der Zeitfaktor spielt eine Rolle. In dem bewährten Zeitraum von 3 Wochen werden wiederholte Reize gesetzt, die Physiologie des Patienten reagiert darauf mit Adaption bis im Idealfall eine Normalisierung erreicht wird. Der gewohnte Tagesablauf ändert sich für die Patienten. Diese Änderung über 3 Wochen beeinflusst auch nachweislich physiologische Abläufe im Körper. (Marktl et al)

Wie oft sollte eine Kur gemacht werden?

Ideal laut eigenen Studiendaten wäre eine Wiederholung der Kur einmal jährlich, um den positiven Effekt langfristig zu erhalten, das konnte zumindest in Studienergebnissen bei Hypertonikern gezeigt werden.

Welche Patienten profitieren am meisten von einer Kur?

Am bekanntesten ist die Kur bei Beschwerden im Bewegungsapparat, hierzu gibt es auch die meisten Untersuchungen und Studien, aber auch bei Herz-Kreislauferkrankungen spielt die Kur eine große Rolle und ist gut untersucht.

Welche natürlichen Heilvorkommen gibt es?

Unterschiedliche Kurorte haben unterschiedliche natürliche Heilvorkommen wie zb. Bad Tatzmannsdorf CO2, Radonvorkommen in Bad Gastein, Sole im Salzkammergut. Bekannt sind neben dem Heilwasser die organischen oder anorganischen Peloide wie Fango und Moor. Nicht so häufig eingesetzt sind die Heilgase als Kurmittel, die inhaliert werden wie CO2 oder Radon. Auch die Heilklimatische Kur („Luftkur“), ist eher unbekannt. An diesen Orten ist ein allgemein gesundheitsförderliches Klima zu erwarten mit einer geringen Schadstoffkonzentration, was mittels Gutachten nachgewiesen wird.

Relativ neu ist der Einsatz von Heilstollen. Das feuchtwarme Stollenklima ist ein sehr spezielles und wird bei Atemwegserkrankungen eingesetzt sowie seit neuestem auch bei Long Covid.

Was muss der Zuweiser beachten?

Also Zuweiser sollte man sich fragen: Ist ein Grund für die Zuweisung vorhanden? Wohin schicke ich welchen Patienten? Genauer Informationen dazu gibt es zb. in der Kurärzte Fortbildung oder auch in Broschüren vom Kurverband, die man anfordern kann.

Was sollte der Patient beachten?

Anders als in der Klinik, im Krankenhaus, wo der Patient meist passiv ist, muss der Patient bei einer Kur aktiv mitarbeiten, ähnlich wie bei der Rehabilitation. Der Patient sollte die Änderungen im Lebenstil auch nach der Kur beibehalten. Für den Erfolg einer Kur ist eine aktive Mitarbeit des Patienten während und nachher entscheidend.

Wo sehen Sie die Zukunft der Kur?

Sie ist ein wichtiger Bestandteil der integrativen Medizin. In anderen Ländern spielt die Kur eine zunehmend bedeutsamere Rolle, auch weil die Leute gerne zur Kur gehen. Ein Kollege meinte einmal „Kurmedizin ist eine Medizin, die nicht ängstigt“ und das möchte ich allen Ärzten und Patienten mitgeben.

Info

Zur Person

Dr. Wolfgang Marktl ist seit 1968 an der medizinischen Universität in Wien tätig. Er ist seit 2003 Präsident der Wiener internationalen Akademie für Ganzheitsmedizin. Seine wissenschaftlichen Arbeitsgebiete umfassen unter anderem die Ernährungs- und Stoffwechselphysiologie, die Chronobiologie sowie die Balneologie, also das Kurwesen.

Angaben ohne Gewähr